Author: Alexander Arnold

Tourismusförderung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie – Förderquoten wurden deutlich erhöht und Zugänge speziell für Investitionsvorhaben in die touristische Infrastruktur vereinfacht

Heilbäder und Kurorte verzeichneten für das Jahr 2020, das – wie allgemein bekannt – ganz im Zeichen von Corona stand, schwerwiegende Einbußen in so gut wie allen Bereichen. Wie in unserem Blog-Artikel Neue Umfrageergebnisse – Kurorte-Klima: Rückblick auf 2020, Überblick über die aktuelle Geschäftslage und erste Abschätzungen zur Geschäftserwartung in den Heilbädern und Kurorten vom 19.01.2021 bereits dargelegt, ist aufgrund der aktuellen Entwicklungen auch für 2021 kein abruptes und befriedigendes Abklingen in Aussicht.

Das Ausbleiben der Gäste, die Schließung der Kureinrichtungen und die dadurch entstandenen Umsatzeinbußen bringen die Verantwortlichen immer mehr in Bedrängnis. Instandhaltung und Wartung werden auf ein Minimum reduziert, an Investitionen in Modernisierung ist oft nicht zu denken. Bereits vor Corona waren vielerorts Einrichtungen wie Bäder & Thermen, Kurmittelhäuser, Kurparks etc. stark sanierungsbedürftig. Gelder sind in den Kommunen bereits vor dem drastischen Ausbleiben von Gewerbesteuern und Kurtaxen oft nicht vorhanden gewesen. Die Corona-Zeit wirkt zudem nun wie eine Kapsel, in der die Zeit der Visionen und Entwicklungsideen, allen voran aber der tatsächlichen Umsetzung von Maßnahmen stehengeblieben scheint. Die Lage spitzt sich immer weiter zu: Wie sollen zentrale und für die Kurorte überlebensnotwendige Einrichtungen am Laufen gehalten, geschweige denn für den „Neustart“ attraktiviert und für die Zukunft nachhaltig weiterentwickelt werden?

Ein Lichtblick: Tourismusförderprogramme in vielen Bundesländern mit überdurchschnittlichen Förderquoten ausgestattet und vereinfachten Zugängen

In der Gesellschaft ist längst angekommen, dass das Gastgewerbe am schlimmsten von den Auswirkungen der Pandemie betroffen ist. Aber wie sollen Einrichtungen, in denen zwischenmenschliche Interaktion und Kontakt zum Menschen das Produkt an sich ist, während des Lock-Downs ein Alternativangebot auf die Beine stellen? Der Lichtblick: Die jüngsten Entwicklungen in der Förderlandschaft zeigen, dass auch die Landesregierungen diese Situation erkannt und im Rahmen ihrer Möglichkeiten reagiert haben – Die Fördersätze für kommunale (gesundheits-)touristische Einrichtungen wurden teilweise deutlich erhöht, der Weg zu den Fördertöpfen teils stark vereinfacht. Beispiele aus dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen zeigen teilweise Förderquoten von bis zu 95 % für kommunale Investitionsvorhaben, sofern die deutlichen Einbußen durch die Pandemie stichhaltig durch den Antragsteller nachgewiesen werden. Dies ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass im vergangenen Jahr einige Maßnahmen aufgrund der Unsicherheit und knapper öffentlicher Kassen zurückgestellt wurden und damit noch aus der laufenden Förderperiode Gelder zur Verfügung stehen. Aber nicht unbegrenzt.

Erlebnisraumkonzept Sole & Kneipp, Außenpavillon Sole (c) Staatsbad Salzuflen GmbH

Voraussetzung: Die Maßnahmen müssen konzeptionell einwandfrei und schlüssig sein, die Ziele der regionalen und landesspezifischen Strategien klar fokussieren und die Notwendigkeit des Impulses und seiner Effekte klar herausgearbeitet werden. Zudem müssen alle Interessensgruppen aktiv und vollumfänglich beteiligt werden sowie eine enge Abstimmung mit den Förderstellen und Ministerien erfolgen. Der Weg ist sicher nicht trivial – das Ergebnis legitimiert diesen Aufwand jedoch.

Nachstehend eine kurze Zusammenfassung wichtiger Schritte auf dem Weg zur Fördermittelakquise vereinfacht als eine Art Check-Liste aus der langjährigen erfolgreichen Praxis der Begleitung:

  1. PROJEKTIDEE: Relevante Grundlagen und Rahmenbedingungen für das künftige Projekt, je konkreter, desto besser. Darauf aufbauend erfolgt die gezielte Fördermittelrecherche (z.B. über https://www.foerderwegweiser-tourismus.de/)
  2. PROJEKTQUALIFIZIERUNG: Hier gilt es alle Auflagen genauestens zu erfüllen und sich sehr eng bis zur endgültigen Einreichung mit den zuständigen Förderstellen abzustimmen. Beachten Sie: Man spielt in einem Team! Entscheidend für den Erfolg sind die Menschen, die im Projekt und in der Antragstellung involviert sind – Es gilt die Förderstelle mit ins Boot zu nehmen und als Team zu agieren
  3. ANTRAGSSTELLUNG: Die qualitativ hochwertige, präzise und gezielte Erarbeitung der Dokumente entscheidet über den Erfolg und v.a. die Förderquote. Die Erfahrung lehrt: Wer auf der Zuwendungsliste oben stehen will, braucht neben dem persönlichen Draht in erster Linie optimal erarbeitete Unterlagen und eindeutige Argumentationslinien!
  4. REALISIERUNG: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!“ Der Spatenstich stellt NICHT den Abschluss der Abstimmung mit der Förderstelle dar! Professionelle Projektsteuerung und -management sowie regelmäßige Abstimmung mit der Förderstelle bis zur Abgabe des abschließenden Verwendungsnachweises sind das A & O.

Die Auflagen und Anforderungen an die Fördermittelakquise können unterschiedlicher nicht sein. Es gibt kein Patentrezept. Sowohl zwischen den einzelnen europäischen Förderprogrammen wie LEADER, INTERREG oder Förderungen der „Gemeinschaftsaufgabe -Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW), als auch zwischen den einzelnen Bundesländern unterscheidet sich der Aufwand teilweise stark. In jedem Fall ist jedoch festzuhalten, dass es sich lohnt, bei jeder Investition die Möglichkeiten auf Förderung genauestens zu prüfen und ggf. das Projekt entsprechend der Förderrichtlinien weiter zu entwickeln.

Fakt ist: Aktuell ist der ideale Zeitpunkt, um sich nicht nur mental und strategisch, sondern auch infrastrukturell für die Zukunft aufzustellen, Impulse zu setzen und zentrale Ankereinrichtungen neu zu positionieren bzw. Neuinvestitionen zur Impulssetzung anzugehen. In jüngerer Zeit konnten wir an mehreren Standorten erfolgreich bei der Sicherung von Mitteln für Thermen & Bäder in der Rhön und im Harz und im Kreis Lippe für ein Erlebnisraumkonzept Sole & Kneipp unterstützen. Auf den Weg gebracht wurden seit Jahresbeginn nach Vorabklärung Anträge für ein Gesundheitszentrum auf einer Insel in Niedersachsen und aktuell wiederum für ein weiteres Bad im Harz.

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Sanus per Aquam – Thermen und Bäder als stark betroffene Einrichtungen der Daseinsvorsorge in der Corona-Krise mit großen Potenzialen danach

Die Bedeutung von Thermen und Bädern für Heilbäder und Kurorte steht außer Frage. Jährlich finden ca. 6,7 Mio. Reisen im Kontext von Erlebnis-/ Thermalbädern in Deutschland statt. Seit Anfang März wurden aufgrund behördlicher Anordnung nach und nach alle Schwimmbäder in Deutschland geschlossen. Durch die bundesweit verordneten Ausgangsbeschränkungen ist eine Wiedereröffnung auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Wellnessmarkt Deutschland insgesamt und nach einzelnen Bereichen
(Darstellung nach:   beauty27/GfK/Wellness-Hotels & Resorts; 2018, www.beauty24.de)

Schließung in der Hauptumsatzzeit Frühjahr erhöht die Defizite der Bäder & Thermen weiter

Alleine in den Monaten März und April werden normalerweise insgesamt 16% der jährlichen Eintritte in Thermen und Bädern verzeichnet (dwif – Corona-Kompass). In diesen Monaten zählen „Besuch von Thermen, Wellnesseinrichtungen, Schwimmen und Wassersport“ zu den TOP-10 Aktivitäten von Tagesausflüglern. Die direkten wirtschaftlichen Einbußen für die Betreiber der Einrichtungen sind daher enorm: Je nach Größe des Betriebes kann mit einem Umsatzverlust von 50.000 – 100.000 € pro Woche gerechnet werden – von den indirekten und induzierten volkswirtschaftlichen Folgen ganz zu schweigen. Rücklagen sind in den oftmals defizitären Betrieben kaum vorhanden. Personal-, Energie- sowie intensive Reparatur- & Instandhaltungskosten übersteigen in vielen Fällen 50-60 % der Einnahmen. Hinzu kommen Ausfälle von Pachteinnahmen durch vermietete Flächen an Gastronomen, Wellness-/Therapieanbieter etc. Auch vorhandene Querfinanzierungen durch angedockte Hotels oder Wohnmobilstellplätze fallen komplett aus.

Herr Werner Angermüller (Geschäftsführer der Kur-Betriebs GmbH Bad Königshofen) konnte in den ersten beiden Monaten des Jahres ein Plus von 4-5% bei Ankünften, Übernachtungen und Thermengästen verzeichnen. Seit Mitte März ist der Betrieb des Bades nun vollkommen zum Erliegen gekommen. „Wir haben neben dem Bad auch noch eine Tourist-Info und die Kurmittel- bzw. Therapieabteilung in der FrankenTherme. Aber außer einigen Notfall-Behandlungen, wie sie z.B. nach Operationen notwendig sind, findet auch hier nichts mehr statt.“

Durch den Wegfall der Einnahmen in den kommenden Wochen wird der Zuschussbedarf von Seiten der ohnehin schon unter Duck stehenden Kommunen, Länder oder sonstigen Shareholdern weiter steigen.

Professionelles Stand-By, statt Schließung und Herunterfahren – Kostensenkungsmaßnahmen umsetzen

Wie in den meisten Betrieben müssen schnelle Entscheidungen v.a. zur Liquiditätssicherung getroffen werden: Resturlaube und einen Teil des Jahresurlaubs beanspruchen lassen, Überstundenabbau, nach und nach Übergang in die Kurzarbeit sowie Inanspruchnahme von Soforthilfen sind ein Teil der Möglichkeiten. Das Herunterfahren des Betriebs, dabei u.a. die Reduktion der Temperaturen im Wasser und der Luft auf ein mit der Kubatur verträgliches Niveau senken die Betriebskosten zudem.

Das Thema Personalmanagement ist in der Krisenzeit wichtiger denn je. Ein funktionierendes Team ist für den Stand-By, aber vor allem für die Inbetriebnahme von höchster Bedeutung: „Vor sechs Wochen haben wir uns darüber unterhalten, wie wir Fachpersonal zu uns in den ländlichen Raum bekommen“, so Herr Angermüller. „Jetzt sprechen wir von Kurzarbeit und schicken unsere Angestellten in den Urlaub. Gerade jetzt sehen wir wie wichtig es ist, ein engagiertes und eingespieltes Team zu haben. Meine Mitarbeiter durch die Krise zu bringen, um gemeinsam wieder durchstarten zu können, ist für mich derzeit das Wichtigste!“

„In der unfreiwillig gewonnen Zeit versuchen wir so gut es geht unser Personal zu schulen“, erklärt zum Beispiel auch Herr Jürgen Ankenbrand, Betriebsleiter der Therme Sinnflut in Bad Brückenau, verweist aber gleichzeitig darauf, dass das Kontaktverbot auch hier zum großen Teil den Einsatz der Digitalisierung bedingt. „Wie lange noch geschlossen bleiben wird, das weiß heute niemand genau. Aber wir könnten den kompletten Betrieb binnen maximal zwei Wochen komplett wieder hochfahren“.

Wie ein professionelles „Stand-By“ oder ein „Pandemieplan für Bäder“ aussehen kann, hat die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e.V. in mehreren Leitfäden zusammengetragen und stellt diese, sowie ausgewählte Richtlinien (u.a. zum Teillastbetrieb) kostenlos auf der Homepage www.baederportal.de zur Verfügung. Dabei spielen neben den technischen Voraussetzungen auch Maßnahmen zur Aufgabenverteilung und Mitarbeitermotivation eine wichtige Rolle.

Hohe Bedeutung von Thermen & Bädern nach der Krise als Refugium, zur Stärkung der Abwehrkräfte sowie zum Auftanken und Abschalten

Wie lange und tiefgreifend die Auswirkungen von COVID19 noch gehen werden kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand voraussagen. Wovon wir an dieser Stelle zum jetzigen Zeitpunkt jedoch ausgehen – oder zumindest hoffen – können, sind die folgenden Punkte:

  1. Sobald Ausgangssperren und Reiseeinschränkungen aufgehoben sind, werden v.a. Tagesreisen in der Region und im Inland/Bundesland wieder unternommen – das Reiseverhalten wird zumindest kurz- bis mittelfristig nicht wie gewohnt stattfinden und sich in kleineren Radien bewegen. Etwas „Echtes“ und „Vertrautes“, das Stückchen Heimat wird für Menschen wichtiger sein. Der Geldbeutel wird nach Corona im Durchschnitt kleiner sein und der Urlaub und die Freizeitgestaltung entsprechend angepasst werden müssen. Die Leistungsanbieter müssen sich auf eine höhere Preis-Leistungs-Sensibilität und steigende Qualitäts- v.a. Hygieneerwartungen einstellen.   
  2. Die Krise wird beiderlei hervorrufen: Diejenigen, die ihre „Gefangenschaft und Lethargie“ durch Extreme und Abenteuer kompensieren wollen und diejenigen, die durch die Herausforderungen und den psychischen Stress der letzten Wochen Abstand und Ruhe gewinnen wollen. Die Wiedereröffnung der Freizeiteinrichtungen nach COVID 19 wird sukzessive erfolgen. Dabei sind Thermen & Bäder wesentliche Einrichtungen: Durch das Chlor besteht keine Übertragungsgefahr des Erregers durch das Wasser (Stand 24.03.2020). Zudem wird nach der Krise ein erhöhter Bedarf an Entspannung und körperlichem Wohlbefinden bei den Menschen vorhanden sein.
  3. Themen wie Gesundheit und Gesundheitsversorgung, Prävention und Resilienz werden künftig grundsätzlich weiter an Bedeutung gewinnen. Dabei spielen Thermen und Bäder eine wichtige Rolle als Grunddaseinsversorgungseinrichtung mit hohem gesundheitlichem Mehrwert. Für die älter werdende Bevölkerung (also eine der heutigen Risikogruppen) spielten Thermen und Kurmittelabteilungen aufgrund ihrer Angebotsstruktur und hohen Angebotsqualität eine große Bedeutung als gut erreichbare Einrichtung zur Gesundheitsversorgung und –vorsorge. Wie wichtig ein gesunder Körper gerade im Alter ist und welche Vorteile ein gesunder Lebensstil bietet ist spätestens jetzt überall in der Gesellschaft angekommen.

Vielleicht schafft es die Krise sogar ein Umdenken im Gesundheitswesen einzuläuten, von dem dann die Heilmittel und somit die Gesundheitsanbieter in Heilbädern und Kurorten profitieren. Die Notwendigkeit einer Repositionierung und Neubewertung der Prioritäten auch mit Blick auf Rehabilitation Kuration und Prävention sowie Resilienz ist jedenfalls eines der Learnings, die aus der Corona-Krise gezogen werden können. Gesundheitsorientierte Thermen können hier in jedem Fall künftig eine bedeutende Rolle einnehmen.

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Fortsetzung: Healing Architecture – „Green Space“ – Die Zusammenführung von Natur und Architektur

Letzte Woche veröffentlichte Zukunftsforscher Andreas Reiter einen Blogbeitrag mit dem Titel „Nervöse Zeiten, blühende Natur“. Unmissverständlich macht er dort klar, dass Menschen mit den heutigen Lebensgewohnheiten in einer digitalen, hektisch und unübersichtlich anmutenden Zeit immer mehr nach sicheren, ruhigen natürlichen Orten verlangen. Orte an „dem er [der Mensch] wieder in Resonanz mit sich und der Welt gelangt“. Das diese Sehnsuchtsorte sich vor allem in Gärten, Parks und Wäldern finden lassen und dadurch zunehmend Bedeutung für primärpräventive Motivationen von Menschen gewinnen steht außer Frage. Doch ist es nicht an der Zeit dieses Verlangen, wenn auch im Kleinen, in den Betonwüsten der Städte umzusetzen – konkret in der gebauten Umwelt, also den Gebäuden, in denen wir uns jeden Tag wiederfinden? Reichen unser Wissen und unsere Möglichkeiten nicht aus, einen Grundsatz zu postulieren der da lautet:

„Architektur hat sich nach den individuellen Bedürfnissen der „Verbraucher“ zu richten?“.

Die Pointe vorweg: Doch, wir können und müssen aus meiner Sicht diesen Anspruch, vor allem im Gesundheitswesen, für uns formulieren!

Dazu gibt es zwei zentrale Herangehensweisen, die aufzeigen, dass Architektur mehr ist, als ein Dach über den Kopf, abgetrennte und funktionale Räumlichkeiten und ein Maximum an Effizienz durch 0815 Standards.

„Verbraucher“ ist aus meiner Sicht zum einen der erkrankte Mensch (physisch wie psychisch), der aufgrund eines chirurgischen Notfalls, einer chronischen oder einer psychiatrischen Erkrankung sein gewohntes Umfeld verlassen musste und sich nun hilfsbedürftig, fast devot und zum Teil aufgrund seiner scheinbaren Hilflosigkeit mit großer Scham in die Obhut ihm unbekannter Menschen geben muss. Leider trifft er in Kliniken meist auf eine anonyme und hektische Umwelt verpackt in immer gleichen sterilen, weißen und beengten „Heil-Batterien“.

Quelle: allmystery.de

Zum anderen ist da der gesunde Mensch beispielsweise in Person des Pflegepersonals, der sich um die Gäste bzw. Patienten kümmert. Die zunehmenden Veränderungen in der Arbeits- und Lebenswelt unserer „Informationsgesellschaft“ rücken Fähigkeiten wie Flexibilität, Kreativität, Kommunikation und soziale Kompetenz wieder stärken in den Mittelpunkt. Gerade bei der Arbeit mit Menschen sind diese Faktoren das A und O und wäre nur genügend Zeit (als die seltenste Ressource der heutigen Zeit), so würde man auch viel stärker auf die Bedürfnisse kranker Menschen eingehen können.    

So oder so – alle diese Menschen vereint eines: die von Zukunftsforscher Reiter beschriebene Sehnsucht nach natürlichen Räumen, nach Sicherheit. Die Gewissheit auf Rückzug (in den „Safe-Space“) sowie der gleichzeitigen Möglichkeit offener Begegnung (Kommunikation und Hilfestellung durch außen).

Entwurf Nickl & Partner Architekten AG, 1. Preis Wettbewerb Neubau des Haunerschen Kinderspitals in München, Eingangsbereich, Quelle: www.nickl-partner.com

Wie man Antworten auf diese Prämissen findet und sie in Architektur übersetzt, das zeigt eindrucksvoll die Arbeit von diversen Architekten. Lichtdurchflutete Innenhöfe als Naturräume mit besonderen Bepflanzungen, Rückzugsorte die sowohl Ruhe und Privatsphäre als auch Begegnung in einem naturnahen Umfeld zulassen. Dabei ist weniger oft mehr. Reizüberflutungen sollten zwingend vermieden werden. Gleichzeitig können gezielte Akzente gesetzt werden, die Kreativität und Fantasie anregen. Ein natürlicher Kontrast eingebettet in die bebaute Umwelt – oder eher: Das Einbetten des Gebauten in den von der Natur gegeben Kontext.

Gute Beispiele aus Gesundheit und Tourismus hierfür sind u.a. Entwürfe im Rahmen des Architektenwettbewerbs für den Neubau des Dr. von Haunersche Kinderspital in München, „The Children’s Hospital“ in Kopenhagen, das „Euphoria Retreat“ in den Hängen des Taygetos-Gebirges in der mittelalterlichen Stadt Mystras (nahe Sparta) auf der Peloponnes in Griechenland, das „Parkroyal on Pickering“-Hotel in Singapur, und viele mehr…

Dass der Einklang mit der Natur positive Wirkungen auf Menschen hat, ist keine neue Errungenschaft oder Wissen der Neuzeit. Englische Gärten als naturbelassene Naherholungsgebiete im Kontrast zu den akut zurechtgestutzten französischen Gärten waren bereits im 18. Jahrhundert in Europa beliebt.

Kurparke in den Heilbädern und Kurorten waren seit jeher als Entspannungs- & Begegnungsorte konzeptioniert. Diesen Transfer nun in Bauwerke zu übernehmen und ein gesundes Wechselspiel zwischen natürlichen Materialien, viel natürliches Licht, Düfte von Blumen und Hölzern und satte natürliche Farben schaffen ein Umfeld, das Menschen einen Ausgleich in diesen „nervösen Zeiten“ bietet – Wir bleiben ruhiger, in Balance, bauen Stress ab und fühlen uns dadurch ausgeglichener und gesünder.  Welche heilenden Kräfte durch einen entsprechend gestalteten Raum freigesetzt werden können und wie man die Psyche des Menschen durch entsprechende Impulse positiv beeinflussen können werde ich in einem späteren Artikel näher beleuchten.

„Healing Architecture“: Raumpsychologie – Die Kunst gesundheitsfördernder Atmosphäre

Öffentliche Plätze, Attraktionen, Touch-Points, Verweilorte, private Häuser, und Zimmer – Sie alle haben eines gemeinsam: Menschen wollen sich dort wohlfühlen! Innerhalb der eigenen vier Wände kann man individuell nach seinen Bedürfnissen für ein warmes, ja heimisches Gefühl sorgen. Einrichtungen wie Krankenhäusern, Therapie-, SPA- und Wellnesseinrichtungen kommt genau hier eine zentrale Verantwortung zu: „Wohlbefinden“ stellt eine zentrale Voraussetzung für den Heilungs- & Genesungsprozess dar. Doch wieso fühlt man sich eigentlich irgendwo wohl?    

Wenn wir uns im Tourismus über die bauliche Optimierung unterschiedlichster Orte unterhalten, so sprechen wir automatisch über die Schaffung einer sogenannten „Wohlfühlatmosphäre“.  Wir alle wissen was gemeint ist – und wenn wir ehrlich sind, dann hoffen wir eigentlich auf einen Architekten, der uns ein „Rendering“ präsentiert, bei dem wir sagen können: „Ja! Hier fühle ich mich wohl!“. Und sind wir noch ehrlicher: Die Anzahl an Kliniken und weiteren medizinisch-therapeutischen Einrichtungen in den wir genau das sagen können ist gering. Viele von uns kennen es: Egal ob als Angehöriger oder als Patient, wir suchen schnellstmöglich einen Weg aus den Betonfesseln dieser einengenden, sterilen Einöde.

(Quelle: pixabay)

Laut Duden ist wohl fühlen „sich in seinem Wohlbefinden durch nichts beeinträchtigt fühlen“. Spätestens hier wird klar, wir diskutieren hier viel mehr über ein emotionales und psychologisches Thema und weniger über ein geometrisch-architektonisches.

Paradigmenwechsel: Von der Pathogenese zur Salutogenese

Die Gegenwart im deutschen Gesundheitssystem ist von der Pathogenese, der Entstehung von Krankheit und dem Entgegenwirken, geprägt. Die Zukunft orientiert sich an der Salutogenese, der Entstehung von Gesundheit. Das Konzept beschreibt Kräfte, die dem Menschen helfen, Gesundheit zu entwickeln und ihr Modell beantwortet die Fragen „Wer wird krank? Und „Wer bleibt gesund?“. Danach bleiben Individuen und Gruppen auch unter hohen Belastungen eher gesund, wenn sie ein in drei Dimensionen beschreibbares Grundvertrauen haben: „Verstehbarkeit“, „Machbarkeit“, „Bedeutsamkeit“. Diese bilden zusammen den Kohärenzsinn, in einer verstehbaren, beeinflussbaren und sinnstiftenden Welt zu leben. Je größer dieser bei Menschen ist, umso größer ist in der Regel ihre Fähigkeit, gesundheitliche Belastungen auszuhalten, ohne krank zu werden.

Healing Architecture: Die Kunst gesundheitsfördernde Atmosphäre zu schaffen

Dieses Wissen nun in die (Innen-)Architektur zu übersetzen ist die Kunst der „Healing Architecture“ – eine Schule die bereits Roger Ulrich in den 80er Jahren entwickelte und nun von Koryphäen wie beispielsweise Christine Nickl-Weller weiterentwickelt werden. Welche Bedeutung die Architektur für einzelne gesundheitstouristisch relevante Einrichtungen hat, welche Anforderungen gestellt werden und erfüllt werden müssen und welche Wirkung die Architektur hat, erfahren Sie in den nächsten Artikeln.

In der täglichen Arbeit mit unseren Kunden, bei denen es viel mehr um die Optimierung bestehender Strukturen als die Konzeption von Neubauten geht, konzentrieren wir uns im ersten Schritt darauf, eine Balance der folgenden vier Säulen der Raumpsychologie zu vermitteln und dann Schritt für Schritt umzusetzen:

Licht – Farbe – Duft – Klang

Diese sind wesentlich in der Lage die Botschaft „Wohlbefinden“ an den Gast zu vermitteln – ein Erlebnis für alle Sinne! Dabei muss an die Stelle des Objektdesigns zunehmend das „Design der Wahrnehmung“ und des „Erlebens“ treten. Es gilt also: je authentischer, dabei (multi-)funktionaler gestaltet und weniger thematisiert bzw. überfrachtet. Ein solcher Ort ist umso vielfältiger, freier, kreativer und letztendlich auch wirtschaftlicher. Weniger ist hierbei mehr, zu viele Gegenstände belasten und lenken ab. Nur natürliche Materialien werden als lebendig und gleichzeitig beruhigend empfunden.

Wenn sich hierbei alle vier Sphären harmonisch ineinanderfügen, dann und nur dann wird aus einem Ort ein einzigartiger Ort, an dem eine „Wohlfühlatmosphäre“ erfahren werden kann, an dem man sich wohl fühlt und auch noch nachhaltig das Wohlbefinden durch „warme Erinnerungen“ an die Aura des Ortes gefördert wird.