Fortsetzung: Healing Architecture – „Green Space“ – Die Zusammenführung von Natur und Architektur

Letzte Woche veröffentlichte Zukunftsforscher Andreas Reiter einen Blogbeitrag mit dem Titel „Nervöse Zeiten, blühende Natur“. Unmissverständlich macht er dort klar, dass Menschen mit den heutigen Lebensgewohnheiten in einer digitalen, hektisch und unübersichtlich anmutenden Zeit immer mehr nach sicheren, ruhigen natürlichen Orten verlangen. Orte an „dem er [der Mensch] wieder in Resonanz mit sich und der Welt gelangt“. Das diese Sehnsuchtsorte sich vor allem in Gärten, Parks und Wäldern finden lassen und dadurch zunehmend Bedeutung für primärpräventive Motivationen von Menschen gewinnen steht außer Frage. Doch ist es nicht an der Zeit dieses Verlangen, wenn auch im Kleinen, in den Betonwüsten der Städte umzusetzen – konkret in der gebauten Umwelt, also den Gebäuden, in denen wir uns jeden Tag wiederfinden? Reichen unser Wissen und unsere Möglichkeiten nicht aus, einen Grundsatz zu postulieren der da lautet:

„Architektur hat sich nach den individuellen Bedürfnissen der „Verbraucher“ zu richten?“.

Die Pointe vorweg: Doch, wir können und müssen aus meiner Sicht diesen Anspruch, vor allem im Gesundheitswesen, für uns formulieren!

Dazu gibt es zwei zentrale Herangehensweisen, die aufzeigen, dass Architektur mehr ist, als ein Dach über den Kopf, abgetrennte und funktionale Räumlichkeiten und ein Maximum an Effizienz durch 0815 Standards.

„Verbraucher“ ist aus meiner Sicht zum einen der erkrankte Mensch (physisch wie psychisch), der aufgrund eines chirurgischen Notfalls, einer chronischen oder einer psychiatrischen Erkrankung sein gewohntes Umfeld verlassen musste und sich nun hilfsbedürftig, fast devot und zum Teil aufgrund seiner scheinbaren Hilflosigkeit mit großer Scham in die Obhut ihm unbekannter Menschen geben muss. Leider trifft er in Kliniken meist auf eine anonyme und hektische Umwelt verpackt in immer gleichen sterilen, weißen und beengten „Heil-Batterien“.

Quelle: allmystery.de

Zum anderen ist da der gesunde Mensch beispielsweise in Person des Pflegepersonals, der sich um die Gäste bzw. Patienten kümmert. Die zunehmenden Veränderungen in der Arbeits- und Lebenswelt unserer „Informationsgesellschaft“ rücken Fähigkeiten wie Flexibilität, Kreativität, Kommunikation und soziale Kompetenz wieder stärken in den Mittelpunkt. Gerade bei der Arbeit mit Menschen sind diese Faktoren das A und O und wäre nur genügend Zeit (als die seltenste Ressource der heutigen Zeit), so würde man auch viel stärker auf die Bedürfnisse kranker Menschen eingehen können.    

So oder so – alle diese Menschen vereint eines: die von Zukunftsforscher Reiter beschriebene Sehnsucht nach natürlichen Räumen, nach Sicherheit. Die Gewissheit auf Rückzug (in den „Safe-Space“) sowie der gleichzeitigen Möglichkeit offener Begegnung (Kommunikation und Hilfestellung durch außen).

Entwurf Nickl & Partner Architekten AG, 1. Preis Wettbewerb Neubau des Haunerschen Kinderspitals in München, Eingangsbereich, Quelle: www.nickl-partner.com

Wie man Antworten auf diese Prämissen findet und sie in Architektur übersetzt, das zeigt eindrucksvoll die Arbeit von diversen Architekten. Lichtdurchflutete Innenhöfe als Naturräume mit besonderen Bepflanzungen, Rückzugsorte die sowohl Ruhe und Privatsphäre als auch Begegnung in einem naturnahen Umfeld zulassen. Dabei ist weniger oft mehr. Reizüberflutungen sollten zwingend vermieden werden. Gleichzeitig können gezielte Akzente gesetzt werden, die Kreativität und Fantasie anregen. Ein natürlicher Kontrast eingebettet in die bebaute Umwelt – oder eher: Das Einbetten des Gebauten in den von der Natur gegeben Kontext.

Gute Beispiele aus Gesundheit und Tourismus hierfür sind u.a. Entwürfe im Rahmen des Architektenwettbewerbs für den Neubau des Dr. von Haunersche Kinderspital in München, „The Children’s Hospital“ in Kopenhagen, das „Euphoria Retreat“ in den Hängen des Taygetos-Gebirges in der mittelalterlichen Stadt Mystras (nahe Sparta) auf der Peloponnes in Griechenland, das „Parkroyal on Pickering“-Hotel in Singapur, und viele mehr…

Dass der Einklang mit der Natur positive Wirkungen auf Menschen hat, ist keine neue Errungenschaft oder Wissen der Neuzeit. Englische Gärten als naturbelassene Naherholungsgebiete im Kontrast zu den akut zurechtgestutzten französischen Gärten waren bereits im 18. Jahrhundert in Europa beliebt.

Kurparke in den Heilbädern und Kurorten waren seit jeher als Entspannungs- & Begegnungsorte konzeptioniert. Diesen Transfer nun in Bauwerke zu übernehmen und ein gesundes Wechselspiel zwischen natürlichen Materialien, viel natürliches Licht, Düfte von Blumen und Hölzern und satte natürliche Farben schaffen ein Umfeld, das Menschen einen Ausgleich in diesen „nervösen Zeiten“ bietet – Wir bleiben ruhiger, in Balance, bauen Stress ab und fühlen uns dadurch ausgeglichener und gesünder.  Welche heilenden Kräfte durch einen entsprechend gestalteten Raum freigesetzt werden können und wie man die Psyche des Menschen durch entsprechende Impulse positiv beeinflussen können werde ich in einem späteren Artikel näher beleuchten.


Geschrieben von Alexander Arnold

Ich bin Consultant bei der PROJECT M GmbH. Als Geograph mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Tourismusgeographie bin verantwortlich für das Kompetenzfeld Infrastruktur und befasse mich insbesondere mit gesundheitstouristischen Einrichtungen wie Thermen und Bäder aber auch mit kurörtlichen Einrichtungen wie Kurhäusern, Kurparken, etc. Ich bin in vor allem auf Ortsebene in unterschiedlichsten Kurorten und Heilbädern, aber auch in Regionen unterwegs. Besonders spannend ist dabei die Zusammenarbeit mit und das Zusammenspiel zwischen Touristikern, Geographen, Medizinern und Architekten.


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