Schlagwort: Digitalität

Digitalisierung in Heilbädern und Kurorten über Corona hinaus – Erfolgreicher Abschluss der 3. Kurorte-Konferenz von PROJECT M

Um den 350 Heilbädern und Kurorten in Deutschland in den herausfordernden Zeiten der Corona-Pandemie eine Plattform für Diskussion, Austausch und Zusammenarbeit zu bieten und gemeinsam einen Weg in die neue Normalität zu finden, rief PROJECT M im Frühjahr die digitale Kurorte-Konferenzreihe ins Leben. Am vergangenen Dienstag fand nun die inzwischen dritte Veranstaltung statt und war ebenso ein Erfolg wie die Vorgänger. Nach den Lockerungen der vergangenen Monate und der langsamen Rückkehr zur (neuen) Normalität wurde der Blick insbesondere auf die Zukunft gerichtet.

Die Corona-Pandemie hat nach wie vor einen maßgeblichen Einfluss auf den (Deutschland-) Tourismus: Insbesondere zeigt sie auch auf, wie wichtig eine durchgehende Digitalisierung nicht nur momentan, sondern auch in Zukunft für die deutschen Heilbäder und Kurorte ist. Die digitale Transformation ist ein wesentlicher Treiber von immer schnelleren Veränderungen in verschiedenen Bereichen des gesundheitstouristischen Destinationsmanagements: u.a. e-Health, Digitalisierung der Leistungskette, digitale Besucherlenkung sowie Kundenbindung durch digitales Datenmanagement.

Wir freuten uns sehr, eine Reihe erstklassiger Referenten zur Kurorte-Konferenz begrüßen zu dürfen, die ihre Expertise mit den Zuhörern teilten.

Olaf Nitz (Chief Data Officer Saint Elmo’s Tourismusmarketing) schaltete sich aus Wien dazu und teilte Einblicke zur Wichtigkeit des digitalen Datenmanagements. Durch effiziente und relevante Daten können Heilbäder und Kurorte ihre Gäste besser verstehen und somit auch richtig und gezielt ansprechen. Hierbei kommt es u.a. auf den Einsatz der richtigen Datenstrategie an.

Andreas Feustel (Geschäftsführer WIIF GmbH) folgte mit einem Vortrag zum Mehrwert digitaler Kur- und Gästekarten und klärte die Teilnehmer über wichtige Erfolgsfaktoren auf, wie Flexibilität, Ersparnis oder einfache Handhabung. Abgerundet wurde sein Vortrag von Max Hillmeier (Tourismusdirektor Bad Hindelang Tourismus) mit dem thematisch passenden Best Practice Beispiel „Bad Hindelang PLUS“, einer erfolgreichen Gästekarte, die seit 2010 starke Zahlen vorweist und seit Neustart nach dem Corona-Lockdown deutliche Vorteile teilnehmender Betriebe vorzeigen kann.

Dirk Rogl (Inhaber & Geschäftsführer Rogl Consult) klärte auf zum Thema der intelligenten Besucherlenkung in Zeiten von Corona, welche gerade vor dem Hintergrund der Abstandsregelungen von großer Bedeutung für Heilbäder und Kurorte ist, um die Besucherströme richtig zu lenken und somit Gästen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Hierzu spielte er beispielhaft die Entwicklung einer entsprechenden App durch. Auch sein Vortrag wurde von einem passenden Best Practice Beispiel untermalt: Paul Stellmacher (stellvertretender Vorstand und Bereich Online-Marketing der Tourismus-Agentur Lübecker Buch) stellte den erfolgreichen „Strandticker“ vor, mit dessen Hilfe u.a. die Strandauslastung vor Ort im Sinne einer „Smart Crowd Control“ effektiv gesteuert werden kann.

Der Strandticker in der Lübecker Bucht © Tourismus-Agentur Lübecker Bucht

Zu guter Letzt teilte Dr. med. Andreas Keck (Geschäftsführer KECK MEDICAL & Syte Institute) Einblicke zu den Möglichkeiten von Digital und e-Health. Bereits heute können 20% der Gesundheitsdienstleistungen virtuell erbracht werden, angefangen von digitalen Videosprechstunden bis hin zur digital unterstützten Rehabilitation – auch über den Aufenthalt im Kurort hinaus. Durch das neue digitale Versorgungsnetz wird es ab Oktober 2020 auch die ersten verschreibungsfähigen digitalen Gesundheitsfunktionalitäten geben.

Neben den spannenden Fachbeiträgen konnten sich auch die Teilnehmer über das digitale Beteiligungstool Mentimeter einbringen und ihre Meinung zu den jeweiligen Themenbereichen kundtun.

Trotz der vorerst letzten digitalen Kurorte-Konferenz soll natürlich die zukunftsfähige Weiterentwicklung der deutschen Heilbäder und Kurorte weiter vorangetrieben werden. Vor dem Hintergrund der fehlenden Datenbasis vor Ort führt PROJECT M in den kommenden Wochen eine Online-Befragung zur Digitalisierung entlang der Customer Journey durch. Helfen Sie mit, gemeinsam die zukunftsfähige Aufstellung und Digitalisierung in den Heilbädern und Kurorten voranzutreiben! Wir laden Sie dazu herzlich ein, über den folgenden Link an unserer Befragung teilzunehmen: e.research.net/r/Befragung-Digitalisierung. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Haben Sie Fragen oder Anmerkungen? Gerne erreichen Sie uns per E-Mail unter kurorte@projectm.de.

„In Zeiten ständiger Erreichbarkeit und einem Zuviel an Informationen neue Perspektive schaffen: digitale Balance.“

Jannis Wlachojiannis ist Geschäftsführer und Digital Coach für die Betriebliche Suchtprävention Miehle GmbH/OFFLINES – einem innovativen Beratungsunternehmen mit dem Fokus auf die Reflexion des eigenen Medienverhaltens. Er beschäftigte sich vor allem damit, wie sich exzessive Mediennutzung und Internetabhängigkeit auf die Lebensqualität auswirken. Das Ziel seiner Arbeit bei OFFLINES ist es, dabei zu helfen die digitale Balance in Alltag und Berufsleben wiederherzustellen.

Du hast langjährige Erfahrung im Bereich Suchthilfe und Suchtprävention. Was zeichnet Deine Arbeit aus und wo siehst Du Verbindungen zum Tourismus?

Seit 2006 arbeite ich in der Suchtberatung und Suchtprävention. Das waren vordergründig Menschen, die mit legalen und illegalen Drogen Schwierigkeiten hatten oder Ihre Zeit und Geld mit zu viel Internetkonsum oder Glücksspielen verschwenden. Vordergründig ging es bei meiner Arbeit darum Menschen zu begleiten und zu stärken in ihrer Veränderungsmotivation. Das Ziel war für viele meiner Klienten suchtmittelfrei zu leben und sich wieder anderen Dingen wie Freundschaften, Hobbies oder einer geregelten Arbeit widmen. Die Herausforderung oder faszinierende an der Tätigkeit als Suchtberater oder Suchttherapeut ist, die Ressourcen des jeden einzelnen zu erkennen und diese sichtbar zu machen und zu stärken. Zum Thema Tourismus kam ich eher zufällig: Ich hatte immer wieder Klienten, die berichteten, dass sie im Zuge einer zunehmenden Digitalisierung ihr Arbeitsverhalten veränderte. Arbeit geriet zunehmend in Lebensbereiche wie Familie, Freizeitverhalten hinein, was Stress und Probleme aufwarf. Klienten formulierten schon vor ein paar Jahren Sätze wie: „Ich sehne mich nach einem Ort der Ruhe und digitalen Enthaltsamkeit“, sowie „kennen Sie sowas wie Offline-Urlaub?“. Daraus entstand letztendlich unsere Projektidee „OFFLINES“ und die Zusammenarbeit mit PROJECT M.

Was ist Deine Meinung zu den „neuen“ Trends zu mehr Achtsamkeit und Entschleunigung?

Ich denke das Thema digitale balance ist ein Trendthema. Nach den Vorbehalten und Hype zu den Vorteilen der Digitalisierung möchten immer mehr Menschen selbstbestimmter und enthaltsamer auch Ihre Freizeit füllen. Die Rückmeldung bekomme ich aus vielen Bereichen. Einer meiner Kollegen arbeitet mit Schulen zum Thema Mediennutzung, Chancen und Risiken. Fernab von klugen Ratschlägen von Eltern und Pädagogen berichten immer mehr junge Menschen, dass sie die dauerhafte Erreichbarkeit und Verfügbarkeit stresst. Das sollten wir ernst nehmen und schon frühzeitig alternative Angebote schaffen. Was die „Erwachsenenwelt“ betrifft, gibt es durch die vielen Vorzüge wie „Homeoffice“ und immer mehr flexibles Arbeiten in der Arbeitswelt eine Chance jetzt zu schauen, wie man touristische Angebote schaffen kann fernab von Diskussionen wie dem Ausbau des flächendeckenden Internets. Die Menschen, die eine Anfälligkeit haben wie Stress und eine niedrigere psychische Belastbarkeit vorweisen, können in medienfreien Oasen und offline Urlaub auftanken und sich vor Ort Gedanken machen, wie sie zukünftig mit ihrem eigen Medienverhalten umgehen möchten.

Was sind aus Deiner Sicht wichtige Bestandteile für touristische Produkte mit Schwerpunkt Achtsamkeit?

Ich denke das Spektrum von achtsamkeitsbasierten Angeboten ist sehr wirkungsvoll. Ich habe bei Workshops großartige Erfahrungen mit Themen wie „Waldbaden“ oder Achtsamkeitsspaziergänge machen können. Rituale, die im Urlaub erlernt und in den Alltag übertragen werden können geben Struktur und führen nachhaltig zu mehr Achtsamkeit. Die Mischung mit aktivierenden Elementen wie Walking oder Laufeinheiten finde ich sinnvoll, um den Körper auf verschiedene Arten zu spüren und neue Erfahrungen zu machen was individuell guttut.

Welche Rolle wird Mentale Gesundheit zukünftig im Gesundheitstourismus spielen? Und welche Bedeutung werden Reisen zu mehr Achtsamkeit und zu sich selbst zukünftig haben?

Die Gesellschaft spricht aus meiner Sicht immer mehr die High-Performer an. Besser Studium als Ausbildung, schnell fertig werden und in Arbeit gehen. Der Alltag ist sehr getacktet, gerade für junge Menschen, was die Entwicklung bei dem Thema Ganztagsschulen betrifft. Aus meinen Erfahrungen in der Arbeit in einem großen Wohlfahrtsverband in Bewerbungsgesprächen mache ich aber mit Berufsanfänger*innen ganz andere Erfahrungen. Da steht als Mehrwert häufiger die vielen Urlaubstage oder die Möglichkeit die Homeoffices vor Gehaltsfragen. Aus meiner Sichtsehe ich da eine Entwicklung, dass immer mehr jüngere Menschen sich Entschleunigung und Ruhe sowie Selbstbestimmung für ihren Alltag sowie Freizeit wünschen. Den Transfer und die Entwicklung würde ich auch für den Tourismus als Chance sehen und auf Angebote mit Achtsamkeit und (digitaler) Entschleunigung setzen.

Welche Potenziale und welche Herausforderungen siehst Du für den Tourismus in Bezug auf mentale Gesundheit?

Es gibt Regionen in Deutschland wo es genau das gibt, was sich beispielweise Städter wünschen und durch das Arbeitsleben und die enge Taktung eine geringe Rolle spielen: Natur, Entschleunigung, Zeit fürs Auftanken und wenig Reize. Die zunehmende Digitalisierung mit all den Vorteilen verursacht bei vielen Menschen aber auch zusätzlichen Stress. Bei einem Leidensdruck und Veränderungsmotivation hilft oft ein Ortswechsel wo sich die Zielgruppe in einer anderen Umgebung darüber gezielt und strukturiert Gedanken machen soll: Wie möchte ich zukünftig arbeiten? Wie sieht mein Verhalten aus in Bezug auf die Mediennutzung? Bin ich ein gutes Vorbild gegenüber meinem Mitarbeiter*innen und/oder Kindern?, Was tut mir gut? Wie kann ich auftanken und vor allem wie kann ich ein Teil davon wieder in meinem (beruflichen) Alltag umsetzen?

Jannis Wlachojiannis beschäftigt sich aktuell mit dem Thema „Digitale Balance in Zeiten einer zunehmenden Digitalisierung“. Welche Chancen und Perspektiven es für den Tourismus gibt, werden wir in einem nächsten Beitrag erfahren.

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