Sanus per Aquam – Thermen und Bäder als stark betroffene Einrichtungen der Daseinsvorsorge in der Corona-Krise mit großen Potenzialen danach

Die Bedeutung von Thermen und Bädern für Heilbäder und Kurorte steht außer Frage. Jährlich finden ca. 6,7 Mio. Reisen im Kontext von Erlebnis-/ Thermalbädern in Deutschland statt. Seit Anfang März wurden aufgrund behördlicher Anordnung nach und nach alle Schwimmbäder in Deutschland geschlossen. Durch die bundesweit verordneten Ausgangsbeschränkungen ist eine Wiedereröffnung auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Wellnessmarkt Deutschland insgesamt und nach einzelnen Bereichen
(Darstellung nach:   beauty27/GfK/Wellness-Hotels & Resorts; 2018, www.beauty24.de)

Schließung in der Hauptumsatzzeit Frühjahr erhöht die Defizite der Bäder & Thermen weiter

Alleine in den Monaten März und April werden normalerweise insgesamt 16% der jährlichen Eintritte in Thermen und Bädern verzeichnet (dwif – Corona-Kompass). In diesen Monaten zählen „Besuch von Thermen, Wellnesseinrichtungen, Schwimmen und Wassersport“ zu den TOP-10 Aktivitäten von Tagesausflüglern. Die direkten wirtschaftlichen Einbußen für die Betreiber der Einrichtungen sind daher enorm: Je nach Größe des Betriebes kann mit einem Umsatzverlust von 50.000 – 100.000 € pro Woche gerechnet werden – von den indirekten und induzierten volkswirtschaftlichen Folgen ganz zu schweigen. Rücklagen sind in den oftmals defizitären Betrieben kaum vorhanden. Personal-, Energie- sowie intensive Reparatur- & Instandhaltungskosten übersteigen in vielen Fällen 50-60 % der Einnahmen. Hinzu kommen Ausfälle von Pachteinnahmen durch vermietete Flächen an Gastronomen, Wellness-/Therapieanbieter etc. Auch vorhandene Querfinanzierungen durch angedockte Hotels oder Wohnmobilstellplätze fallen komplett aus.

Herr Werner Angermüller (Geschäftsführer der Kur-Betriebs GmbH Bad Königshofen) konnte in den ersten beiden Monaten des Jahres ein Plus von 4-5% bei Ankünften, Übernachtungen und Thermengästen verzeichnen. Seit Mitte März ist der Betrieb des Bades nun vollkommen zum Erliegen gekommen. „Wir haben neben dem Bad auch noch eine Tourist-Info und die Kurmittel- bzw. Therapieabteilung in der FrankenTherme. Aber außer einigen Notfall-Behandlungen, wie sie z.B. nach Operationen notwendig sind, findet auch hier nichts mehr statt.“

Durch den Wegfall der Einnahmen in den kommenden Wochen wird der Zuschussbedarf von Seiten der ohnehin schon unter Duck stehenden Kommunen, Länder oder sonstigen Shareholdern weiter steigen.

Professionelles Stand-By, statt Schließung und Herunterfahren – Kostensenkungsmaßnahmen umsetzen

Wie in den meisten Betrieben müssen schnelle Entscheidungen v.a. zur Liquiditätssicherung getroffen werden: Resturlaube und einen Teil des Jahresurlaubs beanspruchen lassen, Überstundenabbau, nach und nach Übergang in die Kurzarbeit sowie Inanspruchnahme von Soforthilfen sind ein Teil der Möglichkeiten. Das Herunterfahren des Betriebs, dabei u.a. die Reduktion der Temperaturen im Wasser und der Luft auf ein mit der Kubatur verträgliches Niveau senken die Betriebskosten zudem.

Das Thema Personalmanagement ist in der Krisenzeit wichtiger denn je. Ein funktionierendes Team ist für den Stand-By, aber vor allem für die Inbetriebnahme von höchster Bedeutung: „Vor sechs Wochen haben wir uns darüber unterhalten, wie wir Fachpersonal zu uns in den ländlichen Raum bekommen“, so Herr Angermüller. „Jetzt sprechen wir von Kurzarbeit und schicken unsere Angestellten in den Urlaub. Gerade jetzt sehen wir wie wichtig es ist, ein engagiertes und eingespieltes Team zu haben. Meine Mitarbeiter durch die Krise zu bringen, um gemeinsam wieder durchstarten zu können, ist für mich derzeit das Wichtigste!“

„In der unfreiwillig gewonnen Zeit versuchen wir so gut es geht unser Personal zu schulen“, erklärt zum Beispiel auch Herr Jürgen Ankenbrand, Betriebsleiter der Therme Sinnflut in Bad Brückenau, verweist aber gleichzeitig darauf, dass das Kontaktverbot auch hier zum großen Teil den Einsatz der Digitalisierung bedingt. „Wie lange noch geschlossen bleiben wird, das weiß heute niemand genau. Aber wir könnten den kompletten Betrieb binnen maximal zwei Wochen komplett wieder hochfahren“.

Wie ein professionelles „Stand-By“ oder ein „Pandemieplan für Bäder“ aussehen kann, hat die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e.V. in mehreren Leitfäden zusammengetragen und stellt diese, sowie ausgewählte Richtlinien (u.a. zum Teillastbetrieb) kostenlos auf der Homepage www.baederportal.de zur Verfügung. Dabei spielen neben den technischen Voraussetzungen auch Maßnahmen zur Aufgabenverteilung und Mitarbeitermotivation eine wichtige Rolle.

Hohe Bedeutung von Thermen & Bädern nach der Krise als Refugium, zur Stärkung der Abwehrkräfte sowie zum Auftanken und Abschalten

Wie lange und tiefgreifend die Auswirkungen von COVID19 noch gehen werden kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand voraussagen. Wovon wir an dieser Stelle zum jetzigen Zeitpunkt jedoch ausgehen – oder zumindest hoffen – können, sind die folgenden Punkte:

  1. Sobald Ausgangssperren und Reiseeinschränkungen aufgehoben sind, werden v.a. Tagesreisen in der Region und im Inland/Bundesland wieder unternommen – das Reiseverhalten wird zumindest kurz- bis mittelfristig nicht wie gewohnt stattfinden und sich in kleineren Radien bewegen. Etwas „Echtes“ und „Vertrautes“, das Stückchen Heimat wird für Menschen wichtiger sein. Der Geldbeutel wird nach Corona im Durchschnitt kleiner sein und der Urlaub und die Freizeitgestaltung entsprechend angepasst werden müssen. Die Leistungsanbieter müssen sich auf eine höhere Preis-Leistungs-Sensibilität und steigende Qualitäts- v.a. Hygieneerwartungen einstellen.   
  2. Die Krise wird beiderlei hervorrufen: Diejenigen, die ihre „Gefangenschaft und Lethargie“ durch Extreme und Abenteuer kompensieren wollen und diejenigen, die durch die Herausforderungen und den psychischen Stress der letzten Wochen Abstand und Ruhe gewinnen wollen. Die Wiedereröffnung der Freizeiteinrichtungen nach COVID 19 wird sukzessive erfolgen. Dabei sind Thermen & Bäder wesentliche Einrichtungen: Durch das Chlor besteht keine Übertragungsgefahr des Erregers durch das Wasser (Stand 24.03.2020). Zudem wird nach der Krise ein erhöhter Bedarf an Entspannung und körperlichem Wohlbefinden bei den Menschen vorhanden sein.
  3. Themen wie Gesundheit und Gesundheitsversorgung, Prävention und Resilienz werden künftig grundsätzlich weiter an Bedeutung gewinnen. Dabei spielen Thermen und Bäder eine wichtige Rolle als Grunddaseinsversorgungseinrichtung mit hohem gesundheitlichem Mehrwert. Für die älter werdende Bevölkerung (also eine der heutigen Risikogruppen) spielten Thermen und Kurmittelabteilungen aufgrund ihrer Angebotsstruktur und hohen Angebotsqualität eine große Bedeutung als gut erreichbare Einrichtung zur Gesundheitsversorgung und –vorsorge. Wie wichtig ein gesunder Körper gerade im Alter ist und welche Vorteile ein gesunder Lebensstil bietet ist spätestens jetzt überall in der Gesellschaft angekommen.

Vielleicht schafft es die Krise sogar ein Umdenken im Gesundheitswesen einzuläuten, von dem dann die Heilmittel und somit die Gesundheitsanbieter in Heilbädern und Kurorten profitieren. Die Notwendigkeit einer Repositionierung und Neubewertung der Prioritäten auch mit Blick auf Rehabilitation Kuration und Prävention sowie Resilienz ist jedenfalls eines der Learnings, die aus der Corona-Krise gezogen werden können. Gesundheitsorientierte Thermen können hier in jedem Fall künftig eine bedeutende Rolle einnehmen.


Geschrieben von Alexander Arnold und Detlef Jarosch

Alexander Arnold

Ich bin Consultant bei der PROJECT M GmbH. Als Geograph mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Tourismusgeographie bin verantwortlich für das Kompetenzfeld Infrastruktur und befasse mich insbesondere mit gesundheitstouristischen Einrichtungen wie Thermen und Bäder aber auch mit kurörtlichen Einrichtungen wie Kurhäusern, Kurparken, etc. Ich bin in vor allem auf Ortsebene in unterschiedlichsten Kurorten und Heilbädern, aber auch in Regionen unterwegs. Besonders spannend ist dabei die Zusammenarbeit mit und das Zusammenspiel zwischen Touristikern, Geographen, Medizinern und Architekten.


Detlef Jarosch

Ich bin Standortleiter München der PROJECT M GmbH und standortübergreifender Bereichs-leiter (gesundheitsorientierte) Infrastruktur. Ich habe mich speziell der Erlebbarmachung des Gesundheitstourismus und dem nachhaltigen Betrieb entsprechender Infrastruktur verschrie- ben und verstehe gesundheitstouristische Einrichtungen als Erlebnisraum. In meiner Zeit als Regionalmanager, Projektmanager und Geschäftsführer in unterschiedlichen Gesundheits- regionen verfolgte ich genau diese Ziele. Das einzigartige PPP-Projekt Oversum Vitalresort Winterberg (NRW), welches ich als verantwortlicher Projektsteuerer mitentwickelte, ist ein geeignetes Beispiel für meine Vorstellung von zeitgemäßer Produktentwicklung im Gesundheitstourismus.


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