Schlagwort: Achtsamkeit

„In Zeiten ständiger Erreichbarkeit und einem Zuviel an Informationen neue Perspektive schaffen: digitale Balance.“

Jannis Wlachojiannis ist Geschäftsführer und Digital Coach für die Betriebliche Suchtprävention Miehle GmbH/OFFLINES – einem innovativen Beratungsunternehmen mit dem Fokus auf die Reflexion des eigenen Medienverhaltens. Er beschäftigte sich vor allem damit, wie sich exzessive Mediennutzung und Internetabhängigkeit auf die Lebensqualität auswirken. Das Ziel seiner Arbeit bei OFFLINES ist es, dabei zu helfen die digitale Balance in Alltag und Berufsleben wiederherzustellen.

Du hast langjährige Erfahrung im Bereich Suchthilfe und Suchtprävention. Was zeichnet Deine Arbeit aus und wo siehst Du Verbindungen zum Tourismus?

Seit 2006 arbeite ich in der Suchtberatung und Suchtprävention. Das waren vordergründig Menschen, die mit legalen und illegalen Drogen Schwierigkeiten hatten oder Ihre Zeit und Geld mit zu viel Internetkonsum oder Glücksspielen verschwenden. Vordergründig ging es bei meiner Arbeit darum Menschen zu begleiten und zu stärken in ihrer Veränderungsmotivation. Das Ziel war für viele meiner Klienten suchtmittelfrei zu leben und sich wieder anderen Dingen wie Freundschaften, Hobbies oder einer geregelten Arbeit widmen. Die Herausforderung oder faszinierende an der Tätigkeit als Suchtberater oder Suchttherapeut ist, die Ressourcen des jeden einzelnen zu erkennen und diese sichtbar zu machen und zu stärken. Zum Thema Tourismus kam ich eher zufällig: Ich hatte immer wieder Klienten, die berichteten, dass sie im Zuge einer zunehmenden Digitalisierung ihr Arbeitsverhalten veränderte. Arbeit geriet zunehmend in Lebensbereiche wie Familie, Freizeitverhalten hinein, was Stress und Probleme aufwarf. Klienten formulierten schon vor ein paar Jahren Sätze wie: „Ich sehne mich nach einem Ort der Ruhe und digitalen Enthaltsamkeit“, sowie „kennen Sie sowas wie Offline-Urlaub?“. Daraus entstand letztendlich unsere Projektidee „OFFLINES“ und die Zusammenarbeit mit PROJECT M.

Was ist Deine Meinung zu den „neuen“ Trends zu mehr Achtsamkeit und Entschleunigung?

Ich denke das Thema digitale balance ist ein Trendthema. Nach den Vorbehalten und Hype zu den Vorteilen der Digitalisierung möchten immer mehr Menschen selbstbestimmter und enthaltsamer auch Ihre Freizeit füllen. Die Rückmeldung bekomme ich aus vielen Bereichen. Einer meiner Kollegen arbeitet mit Schulen zum Thema Mediennutzung, Chancen und Risiken. Fernab von klugen Ratschlägen von Eltern und Pädagogen berichten immer mehr junge Menschen, dass sie die dauerhafte Erreichbarkeit und Verfügbarkeit stresst. Das sollten wir ernst nehmen und schon frühzeitig alternative Angebote schaffen. Was die „Erwachsenenwelt“ betrifft, gibt es durch die vielen Vorzüge wie „Homeoffice“ und immer mehr flexibles Arbeiten in der Arbeitswelt eine Chance jetzt zu schauen, wie man touristische Angebote schaffen kann fernab von Diskussionen wie dem Ausbau des flächendeckenden Internets. Die Menschen, die eine Anfälligkeit haben wie Stress und eine niedrigere psychische Belastbarkeit vorweisen, können in medienfreien Oasen und offline Urlaub auftanken und sich vor Ort Gedanken machen, wie sie zukünftig mit ihrem eigen Medienverhalten umgehen möchten.

Was sind aus Deiner Sicht wichtige Bestandteile für touristische Produkte mit Schwerpunkt Achtsamkeit?

Ich denke das Spektrum von achtsamkeitsbasierten Angeboten ist sehr wirkungsvoll. Ich habe bei Workshops großartige Erfahrungen mit Themen wie „Waldbaden“ oder Achtsamkeitsspaziergänge machen können. Rituale, die im Urlaub erlernt und in den Alltag übertragen werden können geben Struktur und führen nachhaltig zu mehr Achtsamkeit. Die Mischung mit aktivierenden Elementen wie Walking oder Laufeinheiten finde ich sinnvoll, um den Körper auf verschiedene Arten zu spüren und neue Erfahrungen zu machen was individuell guttut.

Welche Rolle wird Mentale Gesundheit zukünftig im Gesundheitstourismus spielen? Und welche Bedeutung werden Reisen zu mehr Achtsamkeit und zu sich selbst zukünftig haben?

Die Gesellschaft spricht aus meiner Sicht immer mehr die High-Performer an. Besser Studium als Ausbildung, schnell fertig werden und in Arbeit gehen. Der Alltag ist sehr getacktet, gerade für junge Menschen, was die Entwicklung bei dem Thema Ganztagsschulen betrifft. Aus meinen Erfahrungen in der Arbeit in einem großen Wohlfahrtsverband in Bewerbungsgesprächen mache ich aber mit Berufsanfänger*innen ganz andere Erfahrungen. Da steht als Mehrwert häufiger die vielen Urlaubstage oder die Möglichkeit die Homeoffices vor Gehaltsfragen. Aus meiner Sichtsehe ich da eine Entwicklung, dass immer mehr jüngere Menschen sich Entschleunigung und Ruhe sowie Selbstbestimmung für ihren Alltag sowie Freizeit wünschen. Den Transfer und die Entwicklung würde ich auch für den Tourismus als Chance sehen und auf Angebote mit Achtsamkeit und (digitaler) Entschleunigung setzen.

Welche Potenziale und welche Herausforderungen siehst Du für den Tourismus in Bezug auf mentale Gesundheit?

Es gibt Regionen in Deutschland wo es genau das gibt, was sich beispielweise Städter wünschen und durch das Arbeitsleben und die enge Taktung eine geringe Rolle spielen: Natur, Entschleunigung, Zeit fürs Auftanken und wenig Reize. Die zunehmende Digitalisierung mit all den Vorteilen verursacht bei vielen Menschen aber auch zusätzlichen Stress. Bei einem Leidensdruck und Veränderungsmotivation hilft oft ein Ortswechsel wo sich die Zielgruppe in einer anderen Umgebung darüber gezielt und strukturiert Gedanken machen soll: Wie möchte ich zukünftig arbeiten? Wie sieht mein Verhalten aus in Bezug auf die Mediennutzung? Bin ich ein gutes Vorbild gegenüber meinem Mitarbeiter*innen und/oder Kindern?, Was tut mir gut? Wie kann ich auftanken und vor allem wie kann ich ein Teil davon wieder in meinem (beruflichen) Alltag umsetzen?

Jannis Wlachojiannis beschäftigt sich aktuell mit dem Thema „Digitale Balance in Zeiten einer zunehmenden Digitalisierung“. Welche Chancen und Perspektiven es für den Tourismus gibt, werden wir in einem nächsten Beitrag erfahren.

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Wo ist die Zeit geblieben? Leben im Hier und Jetzt – mehr leben, mehr genießen, mehr entschleunigen!

Die GrimmHeimat Nordhessen ist im August diesen Jahres offiziell und bundesweit als Entschleunigungsregion ausgerufen worden. Am 31. August findet erstmalig der „Tag der Entschleunigung“ statt.

Entschleunigung – die Grundidee der Achtsamkeit: Entspannen im Hier und Jetzt, dem Alltagstrott entfliehen, Stress erkennen und entgegenwirken, innere Gelassenheit entwickeln, sich selbst und die Welt bewusst wahrnehmen. Gerade in der heutigen Zeit, in der wir so viel Zeit – genauer gesagt Lebenszeit – haben, wie vorab noch nie, leiden wir unter Zeitmangel, Zeitdruck und bereits junge Menschen zeigen Erschöpfung- und Stresssymptome. Entsprechend ist das Verlangen und der Wunsch nach mehr „Aus- und Ich-Zeiten“ und Balance sowie die Suche nach Glücklichsein im Hier und Jetzt groß.

Ein genauer Blick in das Thema „Mindfulness“ (dt. Achtsamkeit), welches heute als Trend, als Zeitgeistthema und als Lösung vieler unserer Probleme gilt, zeigt: Achtsamkeit ist keine neuartige Veränderungsbewegung oder Entwicklung. Der Ursprung der Achtsamkeit kommt aus dem Buddhismus, welcher eine lange Tradition hat und auf vier Grundlagen (Achtsamkeit auf den ganzen Körper, die Gefühle/Empfindungen, den Geist und die Geistesobjekte) aufbaut.

Viele unserer Urlaubsdestinationen, wie unsere Heilbäder und Kurorte, die Kompetenzzentren für Gesundheit, aber auch Regionen wie die GrimmHeimat Nordhessen, gehen auf das Thema ein und bieten Ihren Gästen Auszeiten, Zeit für sich, Entspannung im Hier und Jetzt und Momente des Glücks. Auch einige Länder haben sich das Thema Achtsamkeit auf die Fahne geschrieben, wie beispielsweise Bayern, die mit der Marke „stade zeiten®“ Erholungsurlaub in der bayerischen Natur mit Langzeitwirkung anbieten.  

Angebote und Produkte sind vermeintlich schnell entwickelt: Spaziergang im Park, Besuch in der Therme – damit steht sicherlich ein für den Gast scheinbar gutes und kompetentes Produkt: „Erholungsurlaub“. Für Menschen mit Stress- und Erschöpfungssymptomen, die sich bewusst für einen Gesundheitsurlaub entschieden haben, geht es aber um viel mehr als fünf Tage Entspannung. Im Fokus stehen Prävention, das Vorbeugen von Erschöpfungszuständen und Krankheiten, das Erlernen Verhaltensmuster zu ändern und zu durchbrechen, Achtsamkeit in den Alltag zu übertragen, u.ä. Hierzu ist medizinisch-therapeutische Kompetenz und die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitswirtschaft und Tourismus essenziell. Die GrimmHeimat Nordhessen hat beispielsweise Ihre Angebote und Produkte gemeinsam mit Akteuren aus Tourismus, Gesundheit, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Kultur- und Kreativwirtschaft entwickelt, um ein aus touristischer und gesundheitlicher Sicht kompetentes und nachweislich wirkungsvolles Produkt zu gewährleisten.

Die GrimmHeimat nutzt Bausteine wie Waldbaden, Yoga und Meditation für Ihre Produkte, um Gäste und Besucher für neue Perspektiven zu öffnen. Es werden Methoden und Wege aufgezeigt, um mit sich selbst in Kontakt zu kommen, das Leben im Hier und Jetzt im Alltag zu verankern und den Momenten mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das Ziel ist dabei immer zu berücksichtigen: Gedankenkarusselle stoppen und mehr Gelassenheit entwickeln.

Einer der wohl wichtigsten Punkte der Produktentwicklung ist die Nachbereitung. Hier helfen beispielsweise positive Erinnerungen an den Aufenthalt, aber auch das Aufzeigen von Impulsen, die Gäste und Besucher in Ihren Alltag integrieren können. Aus eigener Erfahrung können wir das Erlernen von Ritualen als eine Anregung mitgeben. Diese können schon in die Produktkonfiguration aufgenommen und so leicht in den Tagesablauf eingebunden werden. Egal ob morgens, im Verlauf des Tages oder abends vor dem Zubettgehen: Rituale am Morgen schaffen einen klaren Kopf und einen angenehmen Start in den Tag. Rituale im Lauf des Tages schaffen Zeit zum Durchatmen und zum bewussten Lenken der Aufmerksamkeit in den gegenwärtigen Moment und auf eine Sache oder einen Gedanken. Abends schaffen sie einen gedanklichen Tagesabschluss und ein Loslassen.

Machen Sie einen Produktcheck – haben Sie nach die Nachbereitung in Ihren Angeboten und Produkten berücksichtigt? Welche Impulse geben Sie Ihren Gästen mit?