Renaissance oder Sterben der Kurmittelhäuser zur Anwendung der natürlichen Heilmittel?

Sind die Kurmittelhäuser ein Relikt der kurörtlichen Tradition oder erleben sie gerade jetzt zur medizinisch-therapeutischen Anwendung, v.a. der ortsgebundenen und auch ortstypischen Heilmittel eine Renaissance?

Diese Frage lässt sich natürlich nicht einfach mit ja oder nein beantworten. Sie hängt von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten wie z.B. des baulich-technischen Zustandes, der betriebswirtschaftlichen Situation, des Wettbewerbs (z.B. Klinikstrukturen, Privatanbieter etc.), der Eingliederung ggf. in eine Therme oder Bädereinrichtung und auch des Stellenwertes der Heilmittel in der Anwendung vor Ort ab.

Oftmals veraltete Einrichtungen verbunden mit hohem jährlichen Zuschussbedarf v.a. in 2020

Fakt ist, dass die meist kommunal bzw. durch kommunale Gesellschaften betriebenen Kurmittelhäuser durch die COVID-19 bedingten monatelangen Schließungen die jeweiligen Eigentümer stark belasten – keine Einnahmen aber meist hohe laufende Kosten trotz Kurzarbeitsregelung. Wer nicht bereits zuvor darüber nachgedacht hat, wie die Zukunft der jeweiligen Einrichtung aussehen soll und ob man sich den Betrieb noch weiter leisten möchte, wird sich diese Frage jetzt stellen (müssen).

Viele Einrichtungen, egal ob in den alten oder neuen Bundesländern sind wirklich in einem sanierungs- bzw. renovierungsbedürftigen Zustand und können oft nicht mit privat- oder klinikgeführten Angeboten mithalten. Sie sind zwar noch funktional, aber zunehmend hinsichtlich z.B. Erscheinungsbild, Privatsphäre des Patienten/Gastes (fehlende Raumtrennungen bei Kabinen), Ausstattung, Raumgrößen nicht mehr zeitgemäß und damit insbesondere an den Selbst(mit)zahler schwer zu vermarkten.

Anwendungen mit natürlichen Heilmitteln werden bei gleichzeitig steigendem Anspruch zunehmend stärker nachgefragt – Einige Heilbäder reagieren mit Modernisierungsmaßnehmen

Aus Marktsicht gewinnen die Heilmittel und damit verbundene naturheilverfahrensbasierte Anwendungen bei den Kunden an Sympathie und Nachfrage. Dies hängt auch mit dem allgemeinen Trend zu (anerkannten) Naturheilverfahren, Nachhaltigkeit und steigender Naturverbundenheit zusammen. Dementsprechend haben Heilbäder wie Noderney ihr „badehaus“ modernisiert und setzen bei der gesamten Infrastruktur auf das Thema Thalasso. Oder Bad Salzuflen stellt mit den Parkwelten und der Modernisierung der Gradierwerke das Thema Sole in den Vordergrund. Das dortige Vitalzentrum wird gleichzeitig auf Effizienz getrimmt und mit weiteren Partnern zu einem Kompetenzzentrum Gesundheit weiterentwickelt. Ein Standort in Südbayern plant ein neues Moorbadehaus und in Bad Königshofen durften wir die Konzeption, die Planung und den Bau eines neuen Kurmittelzentrums als Teil der Modernisierungsstrategie der FrankenTherme begleiten. Dort sind auch neue zeitgemäße Anwendungsbereiche für Moor- und Thermalwasseranwendungen geschaffen worden, die sich schnell einer großen Nachfrage erfreuen.

Was sind nun Erfolgsfaktoren für moderne Kurmittelhäuser und was sollte bei der Prüfung der Zukunftsfähigkeit beachtet werden?

  • Räumliche Verbindung mit medizinischen Versorgungszentren bzw. Arztpraxen einerseits oder Integration in Thermen und Badeeinrichtungen andererseits 
  • Konzentration auf die Inwertsetzung der örtlichen und orts-gebundenen Heilmittel zur Abdeckung eines möglichst differenzierten gesundheitsfördernden Spektrums
  • Konzentration der Angebote auf bestimmte Indikationen und Themen analog zur (angestrebten) Profilierung des Ortes und des Umfeldes
  • Spezifische heilmittelbezogene gesundheitsfördernde Angebote für den Selbstzahlermarkt mit möglichst separierten Bereichen
  • An die Bedürfnisse der Patienten adaptierte Hotel-Strukturen nahe der Behandlungseinrichtungen

Wie ist es um den Zustand Ihres Kurmittelhauses bestellt? Gerne unterstützen wir auch Sie bei der Überprüfung der Markt- und Wettbewerbsfähigkeit oder der Zukunftsausrichtung mit nachhaltiger Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Aus unserer Sicht und Erfahrung haben gut aufgestellte Kurmittelhäuser eine reale Marktchance, doch werden in die Jahre gekommene Häuser immer deutlicher abgehangen und vom Markt verschwinden. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?


Geschrieben von Detlef Jarosch

Ich bin Standortleiter München der PROJECT M GmbH und standortübergreifender Bereichs-leiter (gesundheitsorientierte) Infrastruktur. Ich habe mich speziell der Erlebbarmachung des Gesundheitstourismus und dem nachhaltigen Betrieb entsprechender Infrastruktur verschrie- ben und verstehe gesundheitstouristische Einrichtungen als Erlebnisraum. In meiner Zeit als Regionalmanager, Projektmanager und Geschäftsführer in unterschiedlichen Gesundheits- regionen verfolgte ich genau diese Ziele. Das einzigartige PPP-Projekt Oversum Vitalresort Winterberg (NRW), welches ich als verantwortlicher Projektsteuerer mitentwickelte, ist ein geeignetes Beispiel für meine Vorstellung von zeitgemäßer Produktentwicklung im Gesundheitstourismus.


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