Reden wir endlich über Tourismus oder Erfolg durch perfekten Service

Erfolgreich im Tourismus sind wir, wenn wir perfekt Leistungsketten anbieten können, die den Gästen ihr individuelles Urlaubserlebnis ermöglichen. Und der Gast bezahlt – für das Erlebnis; die Leistungskette bleibt, wenn sie perfekt organisiert ist, im Hintergrund. Wird sie wahrgenommen, dann meistens, weil’s an irgendeinem Baustein hakt: beim unfreundlichen Check-in, dem mickrigen Frühstücksbuffet, der Wartezeit am Skilift oder dem schmuddeligen Wellness-Bereich.

Voraussetzung für eine perfekte Leistungskette ist, dass wir wissen, was genau denn unser Gast möchte. Dazu „segmentieren“ wir unsere Gäste in Zielgruppen, von denen wir annehmen, dass sie ähnliche Motive und Erwartungshaltungen an eine funktionierende Leistungskette haben. Mit dem Erlebnis ist’s komplizierter, das ist immer individuell. Aber, wenn wir zumindest die Leistungskette so gestalten können, dass eben nichts hakt, dann ist die „Bühne“ vorbereitet, das Urlaubserlebnis könnte kommen. Wenn wir das jetzt noch „Service Design“ nennen, klingt’s auch noch knackig.

Quelle: eigene Darstellung

Soweit klar – und hinlänglich bekannt. Wenn wir uns aber mit dem Thema „Zielgruppe“ im Gesundheitstourismus beschäftigten wollen, wird’s komplizierter: Die Selbstwahrnehmung unserer Gäste sieht nämlich etwas anders aus als das, was das gesundheitstouristische Angebotsportfolio insgesamt zu bieten hat:  lt. Statistik Österreich macht gerade einmal ein mickriges Prozent der Österreicher „Gesundheitsurlaub“ – und das konstant seit 10 Jahren (vgl. Steckenbauer & Tischler, 2015). In Deutschland sieht es auf etwas höherem Niveau ganz ähnlich aus (vgl. Lohmann, 2010; Lohmann, 2015). Wer einen Reha-Aufenthalt verbringt oder zu Prävention, Heilung oder Linderung einer Krankheit reist, wird dies kaum als „Urlaub“ bezeichnen. Andererseits würde ein Lifestyle-Gesundheitstourist als Reisemotiv kaum „Gesundheit“ nennen, sondern vielmehr  „Wohlbefinden“, „Resilienz“ und dergleichen. Diese Feinheit in der Fragestellung kann erklären, warum Analysen trotz des wachsenden Gesundheitsbewusstseins (vgl. Artikel vom 17. Oktober) auf eine stagnierende Entwicklung bei Gesundheitsreisen schließen. Wie dem auch sei: „Gesundheit“ und „Urlaub“ wollen wie mir scheint in der Wahrnehmung der Touristen nicht so recht zusammenpassen.

Anders gefragt: warum erwarten wir Touristiker eigentlich, dass Gäste von uns im Urlaub in erster Linie Angebote zur Vorbeugung oder Heilung gesundheitlicher Probleme erwarten? Und nicht das, was eigentlich unsere Aufgabe ist: eine Leistungskette, die so optimiert ist, dass sie perfekt all das bedient, was vom eigentlichen Urlaubserlebnis ablenkt. Oder – ganz pointiert: wer 50 Wochen im Jahr ständig mit krankheitsbedingten Einschränkungen der Lebensqualität konfrontiert ist, möchte sich ja in zwei Wochen Urlaub nicht auch noch ständig mit diesen auseinandersetzen müssen. Jedenfalls nicht mehr, als ohnehin nötig. Noch dazu, wo die Versorgungskette zuhause in aller Regel perfekt, bekannt und verlässlich ist. Und kassenfinanziert.

Also, wenn Urlaub, dann Urlaubserlebnis und nicht medizinische Behandlung. Und hier haben wir als Touristiker genug zu tun, können aber auch jahrzehntelange Erfahrung in Perfektionierung von Leistungen einbringen. Was wir tun sollten.

Viele Erkenntnisse aus der medizinischen Forschung helfen uns, unsere touristischen Leistungsketten zu optimieren – und zu „Service Design“ tritt dann „Evidence Based Design“: wir verwenden wissenschaftliche Erkenntnisse, z.B. aus der Medizin oder Psychologie, um uns bei Gestaltung unserer Angebote nicht nur auf Erfahrung und Gefühl zu verlassen (Marcus & Sachs, 2014). Im Bereich des Gesundheitswesens hat sich dies längst durchgesetzt. Im Gesundheitstourismus gibt es erfolgreiche Vorreiter, über die wir berichten werden.

Wir werden bei diesem Thema hartnäckig bleiben: erfolgreich im Gesundheitstourismus können wir sein, wenn wir die vielen medizinischen Erkenntnisse darüber, was Menschen brauchen, damit es ihnen gut geht, nutzen, um perfekte touristische Leistungsketten zu gestalten.

Ein Beispiel: Hohe Tauern Health

Ein Aufenthalt nahe der Krimmler Wasserfälle in der Nationalparkregion Hohe Tauern hat Dank der im Sprühnebel enthaltenen Aerosole eine reinigende und immunmodulierende Wirkung für die Atemwege und bewirkt nachhaltige Verbesserungen bei allergischem Asthma. Diese Wirkungen wurden von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg in einer Studie nachgewiesen. Allergikerfreundliche Betriebe finden hier somit beste Bedingungen, um die Bühne für ein sorgenfreies Urlaubserlebnis für Allergiker und Asthmatiker zu bereiten. Der Faktor „Gesundheit und Wohlbefinden“ liegt im wahrsten Sinne des Wortes bereits in der Luft. Und natürlich sind auch lokale Gesundheitsdienstleister mit im Boot und können davon profitieren, dass die Region sich mit ihrem einzigartigen – und mittlerweile als „Natürliches Heilvorkommen“ offiziell anerkannten – Angebot innerhalb der Zielgruppe positionieren konnte.

Aus diesem und weiteren spannenden Beispielen werde ich in meinen kommenden Artikeln genauer berichten.


Geschrieben von Dr. Georg Christian Steckenbauer

Ich bin seit 2010 Professor am Department Business der IMC Fachhochschule Krems, Schwerpunkt Tourismusmanagement. Nach 10 Jahren Praxiserfahrung im Tourismusmarketing (Marktforschung, Touristische Angebotsentwicklung, Online Marketing) interessiert mich vor allem, wie gesundheitstouristische Angebote basierend auf lokalen natürlichen Ressourcen entwickelt und vermarktet werden können. Hier gibt es sehr erfolgreiche Beispiele. Diese Erfolge und Erfahrungen versuche ich den PraktikerInnen im Tourismus zugänglich zu machen: von den Besten zu lernen bedeutet, das eigene Produkt kontinuierlich voranzutreiben und so wettbewerbsfähiger und erfolgreicher zu werden. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg können wir gemeinsam tourismuswirtschaftliche und medizinische Fragen abdecken.


1 Kommentar

  1. […] Erfolgreich im Tourismus sind wir, wenn wir perfekt Leistungsketten anbieten können, die den Gästen ihr individuelles Urlaubserlebnis ermöglichen. Und der Gast bezahlt – für das Erlebnis; die Leistungskette bleibt, wenn sie perfekt organisiert ist, im Hintergrund. Wird sie wahrgenommen, dann meistens, weil’s an irgendeinem Baustein hakt: beim unfreundlichen Check-in, dem mickrigen Frühstücksbuffet, der Wartezeit am Skilift oder dem schmuddeligen Wellness-Bereich.  […]

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