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Mobile Health: Warum ignorieren gesundheitstouristische Gastgeber die Wünsche ihrer Gäste?

Der gesundheitsinteressierte Gast ist häufig ein Mobile-Health Nutzer

Jeder vierte Internetnutzer setzt bereits auf Gesundheitsapps und/oder Fitnesstracker. Der Blick auf die Altersgruppen verrät, dass in Deutschland vor allem die jüngsten (15- bis 19-Jährige) und die ältesten Internetnutzer (60 Jahre und älter) ihre Gesundheit und Fitness derzeit aktiv mit Apps und Trackern überwachen (31 bzw. 30 %) (www.gfk.com).

Mehr als 100.000 Apps für Fitness, Wellness und Gesundheit sind aktuell verfügbar. Über 40% der Handynutzer haben mindestens eine Health-App  installiert, drei Viertel davon nutzen diese auch. Fitnesstracker und Smartwatches verzeichnen enorme Zuwachsraten von 100-200%.  Apps und Wearables unterstützen als digitale Alltagshelfer: messen Laufstrecken und Schlafrhythmen, zeichnen Puls und Blutzuckerwerte auf, helfen bei Tinnitus und Depression, vermitteln Arzttermine und Online-Sprechstunden. Jeder zweite Bundesbürger steht der digitalen Beobachtung und Nachprüfung seiner Vitalfunktionen offen gegenüber (vgl. Abb.). (vgl. BVDW Leitfaden 2016)

Diese Marktsituation lässt hohe Potenziale zum Einsatz für digitale präventions- und indikationsspezifische Angebote im Medizin- und Gesundheitstourismus erwarten. Solche sucht man jedoch weithin vergeblich. Im Tourismus allgemein hingegen sind mobile Lösungen mittlerweile weit verbreitet und zahlreiche Destinationen stellen ihren Besuchern eine App zur Verfügung. So bietet bspw. der Träger des Deutschen Tourismuspreises „Mein Hochschwarzwald“  dem Gast mit Online-Portal und dazugehöriger Reiseführer-App auf seinen Aufenthalt und seine Bedürfnisse zugeschnittene Informationen vor und während der Reise.

Nur ewig Gestrige zweifeln noch an der Bedeutung von Mobile Health

Mobile Health ist längst Bestandteil hochwertiger Präventionsangebote, auch in Deutschland. Damit werden Maßstäbe neu gesetzt. So werden z.B. die Aktivitätstracker von Fitbit, Hersteller von digitalen Gesundheits- und Fitness-Lösungen, im moove-Portal von vitaliberty, einem Dienstleister im Betrieblichen Gesundheitsmanagement, eingesetzt. Dass solche Services speziell im Medizin- und Gesundheitstourismus bisher selten sind, könnte unter Umständen zurückgeführt werden auf Mythen und Halbwahrheiten zu digitaler Gesundheit, mit denen der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. nun aufräumt:

  • „Apps können Gesundheitsdaten gar nicht richtig messen“: Die Sensoren in Smartphones oder Wearables sind in ihrer Genaugikeit oft noch nicht mit klinischen Gerätschaften vergleichbar. Die von ihnen gelieferten Daten sind aber für die damit verbundenen Anwendungen vollkommen ausreichend. Beispielsweise für die erste App zur Messung von Herzrhythmusstörungen Preventicus wurden Zuverlässigkeit und Aussagegenauigkeit der Methodik durch klinische Studien bewiesen. Für eine besonders hohe Präzision sollten externe Sensoren die Messung ergänzen. Im Gesundheitstourismus hängt die notwendige technische Ausstattung von der Spezifik des Programms ab.
  • „Der Schutz der Gesundheitsdaten ist nicht gewährleistet“: Gesundheitsdaten unterliegen als „Personendaten besonderer Art“ strengsten Maßstäben hinsichtlich Erhebung, Verarbeitung und Nutzung. Ebenso wie die ärztliche Schweigepflicht unterliegen auch durch einen Arzt an Patienten ausgegebene Gesundheitsapps dem Verbot der Weitergaben von Nutzerdaten an externe Datenverarbeiter.
  • „Es droht eine Entsolidarisierung“: Spezielle Tarife, die an die Übermittlung von Gesundheitsdaten geknüpft sind, sind nach geltendem Recht unzulässig. Damit können Versichtere, die keine Gesundheitsdaten übermitteln weder bevor- noch benachteiligt werden.
  • „Gesundheits-Apps sind nur Spielerei“: Apps sind vielmehr ein Tool um „spielend gesund zu bleiben“. Sie motivieren zu Bewegung, gesunder Ernährung und regelmäßiger Entspannung, erinnern an Medikamenteneinnahme, helfen bei Tinnitus oder Hörverlust. Bei touristischen Programmen können sie z.B. dabei unterstützen, den im Urlaub erlernten gesunden Lebensstil auch im Alltag fortzusetzen, wie das verhaltensbasierte Trainingsprogramm „Abnehmen mit Genuss“ der AOK.
  • „Apps können den Arzt nicht ersetzen“: Apps können und sollen den Arzt keineswegs ersetzen. Sie bieten jedoch Chancen zur Lösung von Problematiken wie Unterversorgung in ländlichen Regionen, die schlechte und im Zweifelsfall teure Erreichbarkeit von Ärzten am Wochenende und nachts (Lösung z.B. durch medlanes) oder lange Wartezeiten für Arzttermine. Speziell für gesundheitstouristische Angebote ist die digitale Vor- und Nachbetreuung der Gäste am Heimatort sehr wertvoll für eine optimale Programmgestaltung vor Ort und Kundenbindung über den Aufenthalt hinaus.
  • „Der deutsche Markt ist für Mobile Health zu komplex“: Im Ersten Gesundheitsmarkt ist der Zugang in der Tat stark reguliert, jedoch nicht unmöglich. Gesundheitstourismus findet im Zweiten Gesundheitsmarkt statt. Hier finanzieren die Nutzer die Angebote privat. Regulierung und Eintrittshürden sind dabei deutlich geringer.

In unseren Beratungsprojekten beobachte ich, dass die Gesundheitsdestinationen und Leistungsträger die Vorteile und Chancen der Integration von Mobile Health für den Medizin- und Gesundheitstourismus weithin erkennen. Häufig mangelt es jedoch an detailliertem Know-how und Ressourcen für die Umsetzung. Digitalisierung ist eines der Schwerpunktthemen im Rahmen der aktuellen EU-Förderperiode 2014-2020 und wird aller Voraussicht nach auch darüber hinaus von hoher Relevanz bleiben. In diesem Rahmen ist die Qualifizierung der Destinationen und Entwicklung modellhafter Lösungen wünschenswert, die auf andere Destinationen übertragen werden können. global_digital_health

Mobile Health wird für den Gesundheitstourismus genauso erfolgsentscheidend wie Buchungsportale es heute schon für den Tourismus sind

Im nächsten Blog zu Mobile Health berichten wir von der bedeutendsten Veranstaltung zu Mobile Health weltweit: Den JPMorgan events in San Francisco. Zu den so genannten „Receptions“, die überwiegend nur für Eingeladene zugänglich sind,  kommen Akteure aus allen Kontinenten um die neuesten Entwicklungen aus dem Silicon Valley und anderen Entwicklungszentren weltweit zu testen und zu diskutieren. Entwicklungen, die schon in Kürze das Geschäft von jedem von uns beeinflussen werden.


Geschrieben von Dr. Andreas Keck

Ich bin geschäftsführender Gesellschafter von KECK MEDICAL und dem international tätigen Syte Institute. Als ehemaliger Kardiologe und Oberarzt verfüge ich über langjährige Praxiserfahrung im Gesundheitswesen. Zur Lösung häufiger Herausforderungen in gesundheitswirtschaftlichen Projekten setzte ich außerdem meine medizinisch-wissenschaftliche Kompetenz ein. Ein besonderer Schwerpunkt meiner Arbeit liegt im Bereich eHealth. Hier bin ich international als Referent, Berater und Impulsgeber aktiv.


1 Kommentar

  1. […] Jeder vierte Internetnutzer setzt bereits auf Gesundheitsapps und/oder Fitnesstracker. Der Blick auf die Altersgruppen verrät, dass in Deutschland vor allem die jüngsten (15- bis 19-Jährige) und die ältesten Internetnutzer (60 Jahre und älter) ihre Gesundheit und Fitness derzeit aktiv mit Apps und Trackern überwachen (31 bzw. 30 %) (www.gfk.com).  […]

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