MEDIAN Klinik Heiligendamm

Rehablitation ist eine wichtige Säule des Tourismus – ein Plädoyer für mehr Engagement und Kooperation

Rehabilitation ist ein wichtiges Marktsegment im Tourismus – allerdings von den Touristikern oft völlig verkannt. Dabei sind die die Möglichkeiten der Kooperation in Zeiten eines gestärkten Wunsch- und Wahlrechts des Patienten vielfältig. Die größten Kooperationsbremsen: Unwissenheit, Nicht-Erkennen der wechselseitigen Kooperationsnutzen und -ansätze und Berührungsängste.

Zweiter Gesundheitsmarkt wächst ungebremst

Die Gesundheitsbranche ist mittlerweile größer als die Autoindustrie. 2016 gaben die Deutschen 432 Milliarden Euro für Gesundheit aus. Ein Viertel, rund 111 Milliarden Euro, entfielen dabei auf den sogenannten zweiten Gesundheitsmarkt. Der Markt für Gesundheits-Apps, Gesundheitssport, Fitness, Wellness und Gesundheitstourismus gewinnt weiter an Bedeutung, so eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums. Damit setzt sich eine langfristige Entwicklung fort, nach der die Gesundheitswirtschaft seit 2005 jedes Jahr ihre Bruttowertschöpfung stärker steigert als die Gesamtwirtschaft.

Die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft für die einzelnen Bundesländer ist unterschiedlich. Die absoluten Zahlen machen deutlich, dass die Gesundheitswirtschaft in den Stadtstaaten eine besonders wichtige Rolle hat. Relativ jedoch ist die Bedeutung in den Flächenländern am größten, am bedeutendsten in Schleswig Holstein (15,8% der Wertschöpfung), gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern.

Bedeutung der Rehabilitation für den Tourismus

Allein seit 2005 konnte die Zahl der Beschäftigten auf eine Million auf nunmehr sieben Millionen gesteigert werden. Die meisten Beschäftigten – 1,2 Millionen – arbeiteten in Krankenhäusern, weitere 800.000 in Rehakliniken und Heimen. Allein diese Zahlen verdeutlichen die erhebliche ökonomische Bedeutung der Rehabilitation für den Gesundheitstourismus.  Die Wahrnehmung der Rehabilitation im Tourismus steht in deutlichem Widerspruch zur eigentlichen Bedeutung.  Immerhin gut 47 Mio. Übernachtungen entfallen auf die Rehakliniken in Deutschland – das sind 13 % an allen Übernachtungen aus dem Inland. Der Umsatz pro Übernachtung liegt zwischen 140 und 150 EUR. Zum Vergleich: Ein Gast in einer Ferienwohnung gibt pro Übernachtung 80 EUR aus, ein Campinggast gar nur knapp 50 EUR.

Umsatz pro Übernachtung

Ein weiteres Rechenbeispiel macht die Bedeutung der Rehabilitation deutlich: Der volkswirtschaftliche Netto-Nutzen nur für die Indikationen (Erwerbstätige) Kardiologie, Pneumologie, Orthopädie / Rückenschmerzen, Psychosomatik und Sucht steigt von 5,8 Mrd. Euro (2005) auf 23 Mrd. Euro (2025) an. Der Rehabilitationseffekt dieser fünf Indikationen wird mit 0,26 % (2005) bzw. 0,61 % (2025) des BIP berechnet.

Neben der ökonomischen Bedeutung sind Rehakliniken Netzknoten der medizinischen Kompetenz und Versorgung in ländlichen Räumen … Die Bedeutung wird oft erst bewusst, wenn die Rehaklinik am Ort aufgrund von Standortverlegung oder Rationalisierung im Konzern schließt.

„Rehabilitation ist ja gar kein Tourismus“

Nach wie vor geben nicht wenige Touristiker zu Protokoll, dass es sich bei der Rehabilitation gar nicht um Tourismus handelt. Sie zählen zwar gerne die Übernachtungen in ihrer lokalen Übernachtungsstatistik mit und  argumentieren mit den Zahlen für die Bedeutung des Tourismus. Auch die Bedeutung der Kur- und Fremdenverkehrsabgabezahlungen wird durchaus zur Kenntnis genommen. Allerdings wird oft getreu dem Motto gehandelt: „Tourismus ist nur das, was man über klassisches Tourismusmarketing beeinflussen kann“.  Das kann nur verwundern und ist Ausdruck einer großen – und eigentliche unverzeihlichen – Unkenntnis.

Dass es ein überaus wichtiges Wunsch- und Wahlrecht des Reha-Patienten gibt, wird weithin nicht beachtet. Oftmals spielen für den Patienten Faktoren, wie Bekanntheit und Image des Ortes für die Reiseentscheidung eine große Rolle. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, gemeinsam mit den Rehakliniken am Markt tätig zu werden. Hier einige Ansätze und Beispiele dazu:

„Netzwerk Hören“ im Saarland – Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Kliniken und Tourismus

Saarland Netzwerk Hören

Ansätze und Beispiele für Kooperationen mit Rehakliniken

Services für Patienten und Begleitpersonen

  • gezielt auf Klinikgäste und Begleitpersonen ausgerichtetes Aktiv-, Freizeit- und Kulturangebot
  • Unterstützung bei der Organisation der An-/ Abreise (Flug, Transfer, Unterkunft) von Gästen und Patienten
  • Informationsservices, z.B. Informationsmaterial, Informationspools, Content für die Webpräsenz
  • etc.

Kooperative Marketingmaßnahmen

  • Plattformen zur Darstellung der Anbieter- und Angebotsstruktur (online / offline)
  • Marketingkampagne für Bekanntheit und Image des Gesundheits- und Reha-Standortes
  • Kooperative Marketingaktivitäten für Zielgruppen, z.B. Zuweiser, Selbstzahler, oder regionale Märkte
  • Durchführung von spezifischen Kongressen und Tagungen
  • etc.

Regionale / landesweite Netzwerke

  • Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch, Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen
  • Aufbau themen-/indikationsspezifischer Kompetenznetzwerke
  • Lobbyarbeit und gemeinsame Interessenvertretung und –unterstützung (Kostenträger, Institutionen)
  • optimale Verzahnung der Rehabilitationskette auf regionaler bzw. Landesebene (Kostenträger, Rehabilitationskliniken, ambulante Versorgung und Rehabilitanden)
  • etc.

Beispiele

  • Allergikerfreundliche Ausrichtung Bad Hindelangs erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Alpenklinik Santa Maria (bad-hindelang.de; www.santa-maria.de).
  • Im „Netzwerk Hören“ arbeiten die Tourismus Zentrale Saarland und die relevanten Kliniken zusammen (hoeren.saarland).
  • In Bayern und Mecklenburg-Vorpommern existieren gemeinsame gesundheitstouristische Marketingplattformen für Selbstzahlerangebote (www.gesundes-bayern.de und www.gesundes-mv.de).
  • Das Projekt IGM Campus in Bayern entwickelt und vermarktet Angebote zum Individuellen Gesundheitsmanagement (www.igm-campus.de).

 


Geschrieben von Cornelius Obier

Ich bin Geschäftsführer der PROJECT M GmbH, einer im Gesundheits- und Medizintourismus führenden Unternehmensberatung im deutschsprachigen Raum. Gesundheits- und Medizin-tourismus gehört seit vielen Jahren zu meinen „Steckenpferden“. Seit 1996 habe ich in diesem Markt eine Vielzahl von Beratungsprojekten geleitet, bin Autor mehrerer Fachstudien, werde oft als Moderator oder Referent eingeladen. Medizin und Gesundheit auf der einen, Tou- rismus auf der anderen Seite: Mitunter finden die beiden Branchen nicht leicht zusammen. Ich kenne beide Seiten sehr gut und verstehe mich als Inspirator und Brückenbauer.


4 Kommentare

  1. Hans sagt:

    Hey,

    schöner Artikel, hätte gar nicht Gedacht das soviel Geld dahinter steckt bzw sich verdienen lässt.
    Gibt es den Krankenkassen die ein Reha Reise unterstützen?

    lg
    Hans

  2. Vielen Dank für diesen interessanten Artikel, ich habe selber Reha auch nicht wirklich als ein Teil von Tourismus beachtet. Die Zahlen und Bedeutung von Gesundheitstourismus finde ich sehr spannend, genauso wie die Bedeutung in verschiedenen Bundesländern. Mich würde auch sehr gerne interessieren, wie der Tourismus im Ausland aussieht.
    Viele Grüße!

  3. Thomas sagt:

    Ein sehr umfangreicher Beitrag über die Bedeutung der Rehabilitation für den Tourismus.
    Die hier aufgeführten Zahlen sind beeindruckend. Diese Branche scheint viele Aussichten zu haben.

  4. Tom Vogt sagt:

    So einen Reha Fahrt habe ich bisher noch nicht wirklich gemacht. Vielleicht mache ich das auch wirklich mal einfach um mich zu erholen und zu entspannen. Das wäre wirklich mal eine tolle Idee und es könnte sein, dass mes mir danach besser geht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert